Was die Presse über unsere Bücher schreibt:
Schwäbische Zeitung, 26. Januar 2023: "Auf der Suche nach einer neuen Sprache" Interview mit Katrin Seglitz
26.09.2022, Schwäbische Zeitung, Kolumne von Wolfram Frommlet über "Dorthin gehen, wo die Parallelen sich schneiden"
22.10.2022, Südkurier: Als die Gruppe 47 in Saulgau tagte. Ein ungewöhnliches Buch erinnert an die beiden Treffen des legendären Autorenzirkels im Traditionshotel "Kleber Post". Von Sylvia Floetemeyer
17.04.2021 taz: Befreiendes Lachen am Ende
Seine Reiseführerin durch Marokko ist die Gnawa-Musik
Gnawa-Musik, so nah am Jazz, am Blues
Èntîna almâni? Hast Du Glück!“, sagt der Taxifahrer, als er mit Andreas Kirchgässner Ouarzazate im südlichen Marokko verlässt. „Nur weil ich Deutscher bin, habe ich Glück?“ – „Weil du reisen kannst!“ Und glücklicherweise reist Kirchgässner nicht nur, sondern er schreibt seine Reiseerlebnisse auf. Beispielsweise seine spannenden literarischen Reportagen von Orten und Menschen in Marokko, die in seinem Buch „Die sieben Farben der Nacht“ veröffentlicht sind.
Die 14 Reportagen führen uns von der Atlantikküste bei Agadir nach Osten in Oasendörfer am Rande der Wüste, von da über die Berge in die Stadt der Städte: Marrakesch. Und dann endlich das Ziel seiner Reisen, der Sehnsuchtsort Essaouira. Die Hälfte der Reportagen und fast zwei Drittel des Buches spielen in der weißen Stadt am Meer. Hier besucht er das traditionelle Musikfestival, feiert, diskutiert, verhandelt und trinkt mit Musikern und richtet letztlich selbst eine lila, eine Trancenacht mit Gnawa-Musik aus.
Sehr persönlich sind seine Geschichten, schmerzlich und peinlich manche, warmherzig und komisch andere. „Die Reise von der gewohnten in die fremde Welt öffnet uns Zugänge zu unserer eigenen Nachtseite“, resümiert der Autor. Kirchgässners Reiseführerin ist die Musik, und so lautet der Auftakt: „Marokko hätte nie eine solche Bedeutung für mich gewonnen, wäre ich nicht dieser Musik begegnet: Gnawa-Musik, so nah am Jazz, am Blues, zart, gebrochen, melancholisch und zugleich archaisch, dann wieder laut, rasselnd und wild.“ Aber nicht nur Ton und Klang faszinieren ihn und berühren sein Herz: „Gnawa ist zugleich Trancemusik, die in Marokko zu nächtlichen Heilungszeremonien gespielt wird. (…) In diesen Nächten werden die Mlouk aufgerufen, Geistwesen, Dämonen, Verführer, mit denen die ‚Patienten‘ der Gnawa sich gut stellen müssen.“
Kirchgässner spürt der Musik und den Mlouk nach, erkundet deren Bedeutung im Alltag der Menschen und wird selbst so von der spirituellen Seite dieser westafrikanischen Kultur gepackt, dass er am Ende feststellt: „Auch wenn ich zu Anfang noch wenige Vorstellungen davon hatte, was die Mlouk wohl sein mögen, spürte ich doch deutlich, dass ich eine Reise in eine fremde Welt würde antreten müssen.“ Seine Beweggründe: „Wie nichts anderes auf der Welt bringt die Begegnung mit dem Fremden meine Gewohnheiten, mein Selbstbild, meine Strategien durcheinander. (…) Die Begegnung verschiebt meine Koordinaten, klärt meinen Blick und lässt mich mit einem befreienden Lachen zurück: nicht über die Fremden, sondern über mich selbst.“
Andreas Kirchgässner: „Die sieben Farben der Nacht“. 2020, 172 Seiten, 24 Euro
Badische Zeitung, 15.4.2021 :
10.4.2021, Überlingen, Lange Nacht der Bücher: Katrin Seglitz liest aus dem Roman "Schweigenberg"
März 2021, a tempo - Christa Ludwig: Lila ist mehr als eine Farbe
20.01.2021: Muriel Brunswig, die Marokko-Reise-Expertin, schreibt in ihrem Blog über "Die sieben Farben der Nacht"
Eine Rezension des wunderbaren Buches von Andreas Kirchgäßner
Kaum schlage ich das Buch auf, folge ich Andreas auf seiner Reise durch Marokko. Er nimmt mich mit in das Land, das mir zweite Heimat ist.
Seine wunderbaren, sensiblen Erzählungen erinnern mich an meine ersten Reisen – es ist, als habe er aus meinem Tagebuch abgeschrieben. Und dann merke ich: Nicht meine Erinnerungen sind es, sondern die eines Menschen, der offen und doch auch zumindest anfangs vorsichtig durch dieses Land reist, das irgendwann für ihn „neu“ war und nun so vertraut wie mir. Wir alle, die wir offenen Auges und offenen Herzens nach Marokko reisen, erleben das Land beim ersten Mal auf die ein oder andere Art ganz ähnlich. Das nun aus fremder Hand zu lesen ist wie ein Déjà-vu.
Wer zum xten Mal in Marokko ist, staunt darüber, was am Anfang fremd schien. Doch Andreas Kirchgäßner nimmt den Leser an die Hand und beschreibt, mit stiller Stimme, die direkt das Herz berührt, wie es ist, nach Marokko zu reisen, zum ersten Mal, aber auch zum zigsten Mal. Nicht schwarz, nicht weiß, nicht rosarot. Und das macht die Erzählungen, denn letzten Ende ist es genau das, ein Reisebericht in 14 Erzählungen, zu einem wunderbar lesenswerten Buch. Es nimmt mit, lässt den Leser eintauchen in diese vertraute und doch so fremde Welt und zeigt die ganze Vielfalt dieses schönen Landes.
Andreas ist auf der Suche nach der Musik, die ihn vom ersten Moment an berührte. Ein Freund hatte sie ihm empfohlen: „Gnawa-Musik, so nah am Jazz, am Blues, zart, gebrochen, melancholisch und zugleich archaisch, dann wieder laut, rasselnd und wild“ – und ich spoilere mal: Er findet sie. Nur eine einzige Reise nach Marokko reicht hierfür nicht aus. Angefixt von seiner ersten Reise kommt er immer wieder nach Marokko und auf jeder Reise taucht er ein wenig tiefer ein in das Land, dringt vor zu seinen Menschen, nimmt deren Kultur und deren Traditionen auf. Doch die Gnawa-Musik, das ist und bleibt seine große Liebe.
In den sieben Farben der Nacht nimmt Andreas uns mit. Zusammen reisen wir in den Süden des Landes, zunächst an einen Stausee, später dann in ein Dorf im nördlichen Draatal, das, so will es der Zufall, das Dorf ist, in dem ich vor gut 20 Jahren lebte. So begegne ich genau hier meiner eigenen Vergangenheit so intensiv, dass ich mich schütteln muss. Bin ich das oder bist das du?
Weiter reisen wir gemeinsam nach Marrakech, lernen dort Schlangenbeschwörer kennen, dürfen Andreas begleiten, der sich aufmacht ins Schlangenhaus und davon träumt, eines Tages mit dem Oberhaupt des Sufi-Schlangen-Ordens im Süden auf Jagd zu gehen. Ein Unterfangen, das bis zum Ende des Buches nicht gelingen wird – trotz vieler Versuche. Dafür erlebt Andreas anderes, Dinge, die er nicht geplant hatte, Mystik, die er zwar erwartet hatte, aber von der er nicht wusste, ob er sich wirklich darauf einlassen können würde. Aber er konnte es. Eine Kunst, die Neugierde braucht und das Vertrauen, dass man da, wo man ist, auch aufgefangen wird. Andreas hat beides. Manchmal mit leicht ängstlichem Bauchkribbeln, manchmal mit dem Wissen, über den Tisch gezogen worden zu sein, doch immer in der Zuversicht, dass alles gut gehen wird. Und natürlich: Es geht alles gut.
Auf der Suche nach der Musik reisen wir gemeinsam nach Essaouira. Denn hier, in Essaouira, ist sie lebendiger als irgendwo sonst im Land. Nicht nur, weil hier das legendäre Gnawa-Festival stattfindet, einmal im Jahr, sondern auch, weil der Stadt etwas Mystisches anheim wohnt. Wir dürfen dabeisein, als Andreas den Sohn des in Marokko legendären Musikers Abderrahmane Pacco trifft, Youness. Er erzählt uns von dessen Vater, der die Musik der Gnawa in Marokko bekannt gemacht hatte und von der marokkanischen Band Nass el Ghiwane, die seit der 1970er Jahre aufrührerische Texte zu archaischer Musik verbreitete und salonfähig machte. Er nimmt mich mit auf das Gnawa-Festival, das er in all seinen Facetten beschreibt, die Musiker, die Marokkaner, die Tanzenden, Musizierenden, Zuschauenden und so bin ich mittendrin, auch ganz ohne Reise.
Auch bei der Lila, der „Nacht“ der Geister, bin ich dabei. Andreas setzt sie ans Ende seines Buches, sie ist der Höhepunkt von allem und doch, das spürt er an deren Ende, auch erst der Anfang. Der Anfang von etwas viel Tieferen. Die Nacht ist voller Musik. Die Menschen um ihn herum tanzen, fallen in Trance, und geben sich den Geistern hin. Klänge und Rhythmen werden so bildreich beschrieben, dass man sie durch die Buchstaben hindurch hören kann. Auch Andreas fällt in Trance, weiß nicht, ob er seinem Geist begegnet oder ob dies nur Fantasie ist. Und ich? Habe Gänsehaut beim Lesen, erwache aber schlagartig, als in der letzten Erzählung das Licht wieder angeht. Bin sofort wieder da in der Realität. Auch das hat er gekonnt hingekriegt.
Die sieben Farben der Nacht sind ein wunderbares Buch. Ein einfühlsames, lebendiges Portrait eines Landes und dessen Musik. Selbst, wer bis zur Lektüre keinen Bezug zu Marokko hatte, wird spätestens beim Lesen mit eintauchen und verstehen, was die Magie dieses Landes ausmacht. Die Farben, die Musik und den Reiz. Ohne rosarot, ohne schwarz und ohne weiß. Einfach so wie es ist.
Tags: marokko, Buchbesprechung, Gnaoua
Mehr von der Autorin Muriel Brunswig:
11.1.2021 - Bernd Storz schreibt im Reutlinger Generalanzeiger
Als folge man Seite an Seite mit dem Autor dem Schlangenbeschwörer Abbes vom Djemâa el Fna, Marrakeschs legendärem „Platz der Gehenkten“, in sein „Haus der Schlangen“; oder als sei man mitten drin in der farbenprächtigen Menge beim Gnawa-Festival in Essaouira, dem größten Musikfestival auf afrikanischem Boden, zu dem Jazzmusiker aus aller Welt anreisen: Wie ein Sog nehmen diese von Erlebnis und gründlicher Recherche gespeisten Ich-Erzählungen über den Süden Marokkos den Leser tief mit hinein in eine Europäern und auch Marokko-Urlaubern weitgehend fremde Welt. Wir folgen dieser Reise abseits den üblichen Reisewegen in vierzehn literarischen Erkundungen, die lebendig sind und bildhaft und vor allem immer nah an den Menschen.
Da wirbelt man durch die „Lila“ (arab. Nacht) genannte Zeremonie der Gnawa, Nachfahren von Sklaven und Anhänger eines volkstümlichen Kultes, der von den Traditionen der Berber beeinflusst wird und vom arabischen Sufismus, einer spirituellen Strömung des Islam. Während der Dauer einer ganzen Nacht erklingt die mit drei traditionellen Instrumenten gespielte Musik, werden sieben Geister angerufen, denen sieben Farben und sieben Gerüche zugeordnet sind und die die Akteure in tranceähnliche, tanzende Bewegungen versetzt und voller Bedeutungen ist.
Und doch wird man sich, bei aller Faszination, die eine fremde Welt aus der Distanz auszulösen vermag, bald darüber bewusst, dass sich nicht nur der Autor auf bisweilen bizarr erscheinenden und abenteuerlichen Pfaden bewegt, sondern dass man sich auch selbst auf ein geistiges Abenteuer eingelassen hat, das mit so manchem Klischee über den afrikanischen Kontinent im Allgemeinen und Westafrika im Speziellen aufräumt. Eingedenk der Schlagzeilen über islamistischen Terror, der auch die Vielfalt der arabischen Kulturen bedroht, und angesichts der Debatten über Geflüchtete und Werte wird in diesem Buch eine Lanze gebrochen für die Achtung gegenüber dem Reichtum arabischer Kultur südmarokkanischer Prägung, ihrer Musik, ihren Mythen, ihrer Literatur. Aber auch für eine kritische Sicht. So tief sich der Autor als Eindringling ins Innere dieser Welten vorgewagt hat, hat er sowohl große Gastlichkeit als auch grandioses Scheitern erlebt. Tradition, Armut und Moderne existieren nebeneinander, der Tourismus ist wichtige Einnahmequelle und Bedrohung zugleich. Beschlossen wird das Buch, neben einem Interview mit einem Musiktherapeuten, mit einer erhellenden Betrachtung zur „Begegnung mit dem Fremden“, die auch den Einfluss des Arabischen auf die deutsche Sprache sichtbar macht..
Die hervorragende buchgestalterische Leistung des kleinen Ravensburger Verlages osbert+spenza lässt dieses Buch auch zu einem visuellen und haptischen Erlebnis werden. Der Autor (*1957 in Freiburg i.Br.) ist ein ausgewiesener Marokko-Spezialist mit zahlreichen Rundfunksendungen und journalistischen Beiträgen über Marokko bzw. Nord- und Westafrika.
30.11.2020 - Wolfram Frommlet schreibt über "Die sieben Farben der Nacht" in der Schwäbischen Zeitung
29.8.2019 - Christoph Dierking in der Schwäbischen Zeitung über den Roman "Schweigenberg"
Das große Schweigen
Katrin Seglitz erzählt in ihrem neuen Roman von der Nachwendezeit
"Das ist Kapitalismus. Ein Unternehmer darf alles, solange er Gewerbesteuer zahlt,“ sagt Iris. „Das war im Sozialismus nicht anders“, antwortet Arne. „Da durften die SED-Genossen alles.“ Nach „Der Bienenkönig“ hat die in Ravensburg lebende Katrin Seglitz ihren zweiten Roman veröffentlicht: „Schweigenberg“ ist eine anspruchsvolle Ost-West-Geschichte, die zum Nachdenken anregt – über die Konsequenzen des Mauerfalls, über Kapitalismus und Sozialismus, über Selbstjustiz.
Die Geschichte spielt in Sahlen, einer fiktiven Stadt in Sachsen-Anhalt, die allerdings mit den ganz realen Problemen in der ostdeutschen Provinz zu kämpfen hat. Die Gebäude sind heruntergekommen, immer mehr junge Leute ziehen weg, Arbeitsplätze sind rar.
Seglitz erzählt aus der Sicht von vier Protagonisten: Nora hat zu DDR-Zeiten in einer Schuhfabrik gearbeitet und erinnert sich nun voller Nostalgie zurück. Ihrer Enkelin Iris ist ein Schlachthof, in dem massenweise Schweine getötet werden, ein Dorn im Auge. Arne ist in der DDR wegen Fluchtversuchen im Gefängnis gesessen. Zufällig läuft er seinem damaligen Richter über den Weg, entführt ihn und sperrt ihn in seinen Keller. Und auch Georgs Perspektive wird eingenommen. Der Nachbar Noras leidet unter den Folgen eines Hirntumors. Über allem thront der Schweigenberg – diesen gibt es tatsächlich – als Metapher für alles, was in der Vergangenheit verschwiegen worden ist.
Seglitz besticht mit einer klaren Sprache. Sie schreibt in der Gegenwart und vermittelt so das Gefühl, unmittelbar am Geschehen teilzuhaben. Plötzliche Eingebungen der Protagonisten überraschen, mitunter lassen sie den Leser stutzen. Woher kommt Arnes plötzlicher Gesinnungswandel? Warum erwägt Iris, ein friedlicher Mensch, plötzlich zur Waffe zu greifen?
„Schweigenberg“ ist mehr als eine Bestandsaufnahme nach 30 Jahren Mauerfall. Zwischen den Zeilen diskutiert Seglitz Gerechtigkeitsbegriffe: Soll man Gleiches mit Gleichem vergelten? Auge um Auge, Zahn um Zahn? Oder ist es doch besser, die andere Wange hinzuhalten und das Böse mit dem Guten zu überwinden? Am Ende des Romans treffen Iris und Arne ihre Entscheidung.
Katrin Seglitz: Schweigenberg.
Roman. 242 Seiten, Osbert + Spenza, 22 Euro.
Die Autorin stellt ihr Buch bei Lesungen in Konstanz (Freiräume, 2.9.), Ravensburg (RavensBuch, 12.9.) und Pfullendorf (Linzgauer Buchhandlung, 25.9.) vor.
27.8.2019 - Sylvia Floetemeyer im Südkurier über den Roman "Schweigenberg"
„Schweigenberg“, der zweite Roman der Ravensburger Schriftstellerin Katrin Seglitz, ist ein Konzentrat der deutsch-deutschen Geschichte, die bereits vor 1949 beginnt und nicht 1990 endet, sondern bis heute nachwirkt.
Seglitz’ Protagonisten sind Gefangene dieser Geschichte. Der Böttcher Arne, der bei Freyburg an der Unstrut einen Rebhang bewirtschaftet, den „Schweigenberg“, saß als sogenannter Republikflüchtling drei Jahre lang in DDR-Gefängnissen. Er rächt sich an dem einst dafür verant- wortlichen Richter, indem er ihn in seinen Keller sperrt. Iris, Landschaftsarchitektin, ist als Kleinkind mit ihrer Mutter über einen Tunnel von Ost-Berlin in den Westen geflüchtet – ein traumatisches Erlebnis, das sie verfolgt.
Nora, Iris’ Großmutter, Witwe eines überzeugten Sozialisten, der das KZ Buchenwald überlebte, blieb in der DDR. Sie arbeitete als Schuhmacherin im fiktiven Sahlen und wurde nach der Wende arbeitslos. Nora verarbeitet ihre Vergangenheit mit Nadel und Faden, indem sie eine Decke mit Schuhwerk aller Art bestickt.
Hinter Sahlen verbirgt sich das real existierende Weißenfels, das einst das Zentrum der DDR-Schuhindustrie war. Heute ist der größte Arbeitgeber Weißenfels’ der Schlachtbetrieb der Unternehmensgruppe Tönnies. Im Roman ist es der Großschlächter Klaus Kröntein, der die Gemüter in Wallung bringt. „Sahlen ist Schlachthof. Sonst nichts mehr“, hält dessen Gegnerin Carmen lapidar fest.
Im Buch kommen Kapitalismus- und Sozialismuskritik gleichermaßen zum Tragen. Schon auf der ersten Seite tritt das Sujet des Romans dank der Seglitz eigenen (Ver-)Dichtkunst klar hervor: „Als sie (Nora) das Haus verlässt, fällt ihr Blick auf die Ruine des Schuhlabors. Im zweiten Stock hat sie gearbeitet.“
Manchmal gerät der starke Extrakt der deutschen Vergangenheit eine Spur zu intensiv, etwa wenn Arne die Geschichte der SED oder der Gleichberechtigung in der DDR fast dozierend rekapituliert. Dabei hat das Buch der wortmächtigen Seglitz das nicht nötig. Zu ihren Stärken zählen originelle Sprachbilder, etwa „der Mann, dessen Blick sich am Ausschnitt von Cindy festgesaugt hat wie ein Putzfisch an der Scheibe eines Aquariums“. In Seglitz‘ Buch gibt es auch Raum für Humor.
Und auch für Hoffnung. Sie spiegelt sich im Rotkäppchen-Leitmotiv wider, das sich durch den Roman zieht. Denn es ist nicht zuletzt eine Anspielung auf eine der seltenen Erfolgsgeschichten, in denen ein mitteldeutsches Traditionsunternehmen selbst nach der Wende triumphierte: die Freyburger Rotkäppchen-Sektkellerei.
Karin Seglitz: „Schweigenberg“. Roman. osbert+spenza, Ravensburg 2019, 248 S., 22 Euro. Buchvorstellung: 2. September, 20 Uhr, „Freiräume“, Konstanz. – 12. September, 20 Uhr, RavensBuch, Ravensburg. – 25. September, 19.30 Uhr, Linzgauer Buchhandlung, Pfullendorf.
9.11.2019 - Kai Agthe schreibt in der Mitteldeutschen Zeitung über den "Schweigenberg"
ROMAN Katrin Seglitz bettet ein Stück DDR-Geschichte in die Saale-Unstrut-Landschaft ein.
„Sie würde gern über den Schweigenberg fliegen und über die Unstrut, über die Sandsteinhäuser von Freyburg und die hellgrünen Kupferdächer der Kirchtürme.“ Das denkt Iris Perswall, Hauptakteurin in Katrin Seglitz’ Roman „Schweigenberg“, als sie von dem Höhenzug ins Tal blickt. Auf dem Schweigenberg steht das Haus von Arne Schütz. In den hat sich Iris Knall auf Fall verliebt, als sie auf der Suche nach ihrer scheinbar verschwundenen Großmutter Nora die Saale-Unstrut- Gegend durchstreifte.
Nora Hard lebt im fiktiven Ort Sahlen, in dem man unschwer Weißenfels erkennt, da die Stadt früher dank des VEB „Banner des Friedens“ als wichtiger Standort der DDR-Schuhproduktion bekannt war und heute wegen seines riesigen Schlachthofs berüchtigt ist. Dank Nora erfährt der Leser auch einiges über die Schuhherstellung, war die heute 88-Jährige doch bis 1989 im „Banner“-Schuhlabor tätig.
Iris hätte aber wohl nicht so verliebt in Arnes Augen und in die Unstrut-Landschaft geschaut, wenn sie zu diesem Zeitpunkt bereits gewusst hätte, dass der Böttcher in seinem Weinkeller einen alten Mann gefangen hält: Lutz Winter war zu DDR- Zeiten ein Richter Gnadenlos und dafür verantwortlich, dass Arne zweimal wegen versuchter Republikflucht verurteilt wurde. Insgesamt drei Jahre saß er in den Gefängnissen Brandenburg, Cottbus und Bautzen, ehe er vom Westen freigekauft wurde. Als Arne dem greisen Juristen eines Tages zufällig begegnet, beschließt er, den Verantwortlichen für sein früheres Leid, das ihn seit 30 Jahren traumatisch verfolgt, spüren zu lassen, was es be- deutet, seiner Freiheit und Menschenwürde beraubt zu sein.
Arne will Winter erst wieder freilassen, wenn der sein früheres Tun bereut. Als Iris erfährt, dass Winter Arnes Gefangener ist, wird für sie auch klar, dass Arne der Gefangene seiner Vergangenheit ist. Katrin Seglitz zeigt in ihrem Roman vor romantisch anmutender Kulisse sehr überzeugend, wie das Gestern ins Heute greift.
›› Katrin Seglitz: Schweigenberg. Roman, Osbert und Spenza, 242 Seiten, 22 Euro
26.09.2018 Ankündigung der Buchvorstellung „Meine traurige Heimat" in der Schwäbischen Zeitung
29.09.2018 - Bernd Hüttenhofer in der Schwäbischen Zeitung
22.10.2018 - Helmut Voith "Erinnerungen an die verlorene Heimat" in der Schwäbischen Zeitung Bodenseekreis Meersburg
"So voll wie bei diesem Jour fixe des Internationalen Bodensee Clubs sei es noch nie gewesen, hat Chris Inken Soppa vom IBC die vielen Zuhörer begrüßt, die am Samstagnachmittag in Meersburg (...) im Leseraum des Burgcafés saßen. Thema war das Buchprojekt „Meine traurige Heimat“, das die Autorin Katrin Seglitz aus Ravensburg zusammen mit vier syrischen Geflüchteten vorstellte.
Das Thema Flüchtlinge ist seit Jahren ein Dauerbrenner in Deutschland, bei dem Emotionen verschiedenster Art auftauchen. Katrin Seglitz, die sich seit Jahren um syrische Flüchtlinge kümmert, hat einen anderen Weg gewählt. (...) Anstelle des Gesprächs über sie steht (...) das Gespräch mit ihnen im Fokus. Das eröffnet neue Sehweisen und Perspektiven: „Wir wollten unser Land gerechter machen. Schöner geht nicht. Syrien ist das schönste Land der Welt“, schreibt Yusuf aus Damaskus. (...)
22.10.2018 Sylvia Floetemeyer im Südkurier Meersburg "Syrer erzählen ihre Heimatgeschichten"
"Dichtgedrängt sitzen die Besucher beim Literarischen Jour Fixe des IBC, dem letzten im Jahr 2018, im Nebenzimmer des Cafés auf der Meersburg. "So voll war's noch nie", freut sich Leiterin Chris-Inken Soppa. Außerordentliche Literatur steht an diesem Tag im Mittelpunkt: Texte von aus Syrien Geflüchteten, die heute in der Bodenseeregion leben. (...)
Seit Jahren unterhält Seglitz engen Kontakt zu syrischen Geflüchteten. Mit ihnen reden statt über sie, lautet ihre Devise, die sie auch den Zuhörern ans Herz legt. (...)